Lesen ist für viele nicht leicht. Verständlich schreiben auch nicht: Ich helfe gerne dabei.

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Sprache wird sehr oft dazu benutzt, um selbst besser dazustehen, kompetenter zu erscheinen und eine Hierarchie zu pflegen. Sprache kann ausgrenzen. Nicht oft genug stellen sich Schreibende die Frage, ob ihr Text bei ihrer Zielgruppe ankommt.

Hier zeige ich in unregelmäßigen Abständen Beispiele, die es vielen Menschen schwer oder unmöglich machen, an die Botschaft des Textes zu kommen.


14.08.2020

Die Literaturbeilage und der Analphabet

Am 16. November 2019 lieferten die Oberösterreichischen Nachrichten eine Literaturbeilage mit der Wochenendausgabe mit. Die Beilage hatte 24 Seiten und eine eindeutige Zielgruppe. Folgt man dem beworbenen Inhalt, den Artikeln, Interviews und Buchbeschreibungen, sieht die Zielgruppe ziemlich genau so aus: des Lesens mächtige Menschen mit mittlerem bis hohem Bildungsniveau. Eine große und kaufkräftige Menge Menschen. Es war ja auch kurz vor Weihnachten, ein Buch ist ein beliebtes Geschenk. Doch eine große Zielgruppe hat darin gefehlt.

Auch wenn es das nicht bedurfte, wurde das Lesen an sich dort so beworben und beschrieben: 
> Lesen macht die Welt nicht besser, aber die Menschen klüger – und das ist ein guter Anfang
> Feiern Sie diese einmalige Kulturtechnik 
> Erzählen, um das Leben zu verstehen 
> Lesen ist Leidenschaft 
> Lesen ist gesund 
> Eltern können gar nicht früh genug dran sein, um ihren Kindern anhand eines Buches die Welt näher zu bringen 

Lesen macht klüger - Gilt das für alle?

Was nun, wenn es Eltern gibt, die nur ganz schlecht lesen können. Was, wenn sie es selbst gar nicht schaffen würden auch nur ein Kapitel eines Buches zu bewältigen. Was, wenn sie überfordert wären mit einem Infozettel, den das Kind aus der Schule mitbringt.

Ja gut, werden Sie jetzt sagen. Die paar Leute, die sich da schwer tun und die Verlage wollen ja was verkaufen. Klar wollen und sollen die Verlage viel verkaufen und die Beilage an sich hat ja ihre Berechtigung. Meines Erachtens ist sie jedoch elitär und überhaupt nicht inklusiv oder einfach gesagt nicht vollständig. Und das möchte ich Ihnen erklären.

Der einzige Analphabet

Es kommt in der Beilage eine einzige Figur vor, die nicht lesen kann. Das ist Milan, ein Held in einem Buch von Sebastian Fitzek - Milan ist Analphabet. Was glauben Sie, wie viele Analphabeten es in Österreich gibt und wie viele Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen nur sehr schlecht, oder gar nicht lesen können? Man spricht von einem Viertel der Bevölkerung und das ist keine Übertreibung. Diese Menge Menschen setzt sich so zusammen:

> Menschen mit Lernbehinderungen
> Menschen mit Behinderungen oder Einschränkungen verschiedenster Art 
> Menschen, deren Erstsprache nicht Deutsch ist 
> Funktionale Analphabeten 
> Alte und kranke Menschen
> Menschen, die Lesen sehr wenig geübt haben 

Gilt für diese Menschen auch „Lesen ist gesund“, „Erzählen, um das Leben zu verstehen“ oder „Lesen macht die Menschen klüger“? Ja, natürlich! Unter diesen Menschen gibt es sehr viele, die gerne lesen, auch wenn es ihnen schwerfällt. Es gibt Menschen, die neugierig sind, unterhalten werden wollen, Serienhelden lieben oder ihr Wissen zu ihrem Hobby vertiefen wollen würden.

Und was lesen die alle?

Menschen, die schlecht sinnzusammenhängend lesen können, brauchen eine einfachere Sprache, um zu verstehen. Es gibt inzwischen viele Bücher in Leichter und Einfacher Sprache, einfach verständliche Nachrichten und verschiedene Plattformen, die leicht zugänglich und verständlich aufgebaut sind.

Zurück zur Beilage von oben. Diese Literaturbeilage klammert Menschen aus, die schlecht lesen können. Von 24 Seiten widmet sich keine einzige dem Thema Bücher in leicht verständlicher Sprache. Und es gibt sie: Bücher, die in Leichter oder Einfacher Sprache geschrieben oder welche, die dahin übersetzt wurden. Zum Beispiel beim Spaß am Lesen Verlag.

Medien können dazu beitragen, dass etwas in den Fokus der Öffentlichkeit gerät. Was nicht in der Zeitung steht, gibt es nicht. Und da in der Literaturbeilage keine Bücher in Leichter und Einfacher Sprache vorkommen, kommen auch die Menschen nicht vor, für die solche Bücher geschrieben wurden.

Sie alle sind ein Teil dieser Gesellschaft und tun sich jeden Tag schwer mit Lesen und Schreiben. Das bedeutet aber nicht, dass das so bleiben muss. Und deshalb wäre es eine Maßnahme in Richtung Inklusion und Barrierefreiheit, wenn in der Literaturbeilage im November 2020 Tipps für Bücher in Leichter und Einfacher Sprache zu finden sind. Ich bin gespannt! 

Admin - 14:51 @ Allgemein | Kommentar hinzufügen

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